Das Family Office – Privileg für Hochvermögende oder ein „Schweizer Taschenmesser“ für den Mittelstand?
- 28. März 2024
- Veröffentlicht durch: Ferenc von Kacsóh
- Kategorie: Consulting, Fachbeitrag, FamilyOffice, Stiftungen, Trusted Advisory
UHNWI-PRIVILEG ODER „SCHWEIZER TASCHENMESSER“ FÜR DEN MITTELSTAND?
Warum ein Family Office eine Dienstleistung und keine Institution ist
Die Welt der Family Offices gilt als geschlossene Gesellschaft. Ferenc von Kacsóh vom Münchener Family Office Pariter Fortis wirft einen Blick in die Historie, die Gegenwart und die Zukunft der Family Offices – und kommentiert aus seiner Sicht, was ein Family Office leisten sollte.
Immer wieder geistert der Begriff Family Office durch die Gazetten, oft auch im Zusammenhang mit Namen bekannter Persönlichkeiten. Dem Begriff haftet, selbst bei vielen Bankern, eine faszinierende, beinahe mystische Aura an. Manche glauben, es sei ein Privatsekretariat, andere verbinden es mit Nähe zu Geld und Macht. Viele glauben auch, dass ein Family Office nur die Kapitalverwaltungsgesellschaft der UHNWIs beschreibe. Andere wiederum halten es für die Privatkundenabteilung eines Finanzinstituts für Hochvermögende.
Die Historie der Family Offices
Woher kommen diese Missverständnisse? Nun, da hilft ein Blick in die Geschichte. Historische Hinweise auf die Funktionalität eines Family Office gibt es schon aus der Antike. Historisch belegbar ist das aber erst seit der Zeit von Karl dem Großen etwa zur Zeit seiner Krönung im Jahr 801. Diese ersten Family Officer waren die „Hausmeier“ des Mittelalters: Sie leiteten sich ab vom lateinischen „majordomus“, also wörtlich dem „Verwalter des Hauses“. Dabei war der Begriff Haus schon immer global gefasst und ging weit über die Verwaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaften der Herrschenden und der Adelshäuser hinaus. Denn vor allem stand der Majordomus dem innersten Beraterstab vor.
Später, nach dem Dreißigjährigen Krieg, wurde aus den „Meier“ – zum Beispiel am Hofe der Habsburger – der Obersthofmeister, der auch den Vorsitz im „Geheimen Rat“ innehatte. Noch später wurde daraus der Hofmarschall an den Königs- und Kaiserhöfen Erst 1838, in den damals noch jungen USA, erschufen erst die Morgans und später die Rockefellers 1882 eine Art Holding, die die unternehmerischen Aktivitäten und die Vermögensverwaltung der Sippe bündelte. Ganz ohne weltliche oder kirchliche Herrschaft. Diese Holding bezeichneten die Familien erstmals urkundlich als Family Office. Heute würde man von einem Single Family Office sprechen. So wurde der Begriff offiziell geboren.
Allerdings war und ist der Begriff bis heute bekanntlich nicht schützbar, weshalb viele ihn sehr heterogen auslegen. Als andere vermögende Familien nachzogen und sich einige ein Family Office teilten, entstand das erste Multi Family Office.
Nochmals später, etwa Anfang der 2000er-Jahre, etablierte sich dann die heutige, heterogene Landschaft dieses Dienstleistungssektors: Damals bemächtigten sich Banken und Finanzinstitute des Begriffes. Sie setzten ihre Privatkundenbetreuer in teure Jugendstil- und Gründerzeit-Villen in bester Lage, um ihnen ein Messingschild mit diesem Begriff vor die Türe zu schrauben. Natürlich wurden die Gebühren der Vermögensverwaltung an den neuen Begriff angepasst. Geblieben ist aber die ernüchternde Tatsache, dass diese Banker unter dem Label der Beratung zumeist noch immer vor allem die Finanzprodukte ihres Institutes verkaufen, statt die Kunden wirklich nach deren Bedürfnissen zu beraten.
Unterscheidung bei der Frage der Loyalität
Rein objektiv und sachlich stellt sich daher die Frage: Wodurch also unterscheidet sich ein Family Officer des alten Schlages von einem gebundenen Finanzproduktverkäufer, der dieselbe Bezeichnung führt? In allererster Linie ist die Frage der Abgrenzung eine Frage der Loyalität: Wer Gehalt und Boni von einem Finanzinstitut bezieht, wird immer die Interessen seines Arbeitgebers verfolgen (müssen). Und eben nicht die des Mandanten, dessen Vermögen er verwaltet. Dieser Interessenkonflikt ist unvermeidbar, und der Vermögensinhaber wird im Zweifel immer der zweite Sieger bleiben. Wenn dann noch ein Sparkassen-Berater Private-Banking-Kollegen vorwirft, „nur Vermögensverwaltung“ zu betreiben, ist es für den Vermögensinhaber schwer sich des Gefühls zu erwehren, dass da der eine Esel den anderen Langohr schilt.
Der traditionelle Family Officer versteht sich als Organisator, als Koordinator und – in aller erster Linie – als ganzheitlicher Berater, und das über einen langen Zeithorizont hinweg: Man könnte im positivsten Sinne von einem „man in the middle“ sprechen, der den Vermögensinhabern den Rücken freihält.
Doch auch dieser Typus erfährt derzeit einen gewissen Wandel: Multi Family Offices werden immer mehr zum „Family Office as a Service“. Der Family Officer ist selbst Unternehmer und damit nicht mehr nur Dienstleister, sondern ein Partner des Mandanten auf Augenhöhe – und zwar über die verschiedenen unternehmerischen Zyklen hinweg. Dabei geht es immer seltener um die Vorbereitung der Asset Allocation allein oder zu Themen im wirtschaftlich-strategischen Bereich, sondern oft auch um Unternehmens- und Nachfolgeplanung und um Generationenmediation. Dazu gesellen sich Beratungen zu Führungsthemen oder Unternehmercoaching. Nochmals andere Herausforderungen bringt die relativ neue Gruppe der Start-up-Exiteers.
Family Office auf Augenhöhe
Um so eine Dienstleistung durchführen zu können, ist eine Art „Studium Generale“ hilfreich, das neben einer umfassenden kulturellen und kunsthistorischen Allgemeinbildung und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse auch soliden Basiswissens zu steuerlichen, juristischen und finanziellen Themen bedarf. Eine psychologisch-therapeutische Ausbildung und eine unternehmerische Mentalität helfen idealerweise, das Gesamtpaket abzurunden.
In dieser unternehmerischen Mentalität begegnen sich Mandant und Family Officer auf Augenhöhe: Frei zu sprechen, quasi laut miteinander denken zu dürfen, ist ein hohes, weil seltenes Gut geworden. Insbesondere dann, wenn damit absolute Diskretion verbunden sein soll. Das Family Office bietet den geschützten Raum, in dem das geschehen kann.
Nachfolge konfliktfrei regeln
Unternehmer zu sein bedeutet zuallererst, zu agieren, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen und auch Entscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen zu tragen. Mittelständische Familienunternehmer spüren oft eine Verpflichtung, die unternehmerische Familiengeschichte weiterzugeben. An dieser Stelle treffen sich Herkunft und Zukunft, und hier wird es im Bezug auf die Nachfolgeplanung spannend. Es prallen oft grundsätzlich konträre Interessen aufeinander: Einerseits möchte sich die abgebende Generation nur ungerne mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen, aber dennoch das Vermächtnis der Dynastie fortgeführt wissen.
Andererseits wird die Zerrissenheit der nehmenden Generation darin deutlich, dass sie zwar um die Verpflichtungen gegenüber den Vorfahren weiß, aber oft genau diese scheut, gelegentlich sogar verabscheut. Hinzu kommt bei einigen, dass das Unternehmer-Sein der Eltern sie in der Kindheit einer gewissen Wohlstandsverwahrlosung ausgesetzt hat: Nannys und Hauslehrer können die Eltern nun einmal nicht ersetzen. Das führt regelmäßig zu schweren Konflikten und Zerwürfnissen innerhalb der Familien.
Wer es schafft, seine Kinder in einem solchen Umfeld zu verantwortungsbewussten jungen Menschen im Sinne einer lebendigen und nachhaltigen Weiterentwicklung der Familientradition heranwachsen zu lassen, verdient höchsten Respekt. Im Sinne der abgebenden Generation ist daher die Zusammenarbeit mit einem Family Office schon deshalb wertvoll, weil es – bereits im Vorfeld des Übergangs – der vermögenden Familie hilfreich zur Seite steht. Es erklärt alle Möglichkeiten der Gestaltung, koordiniert die Vorbereitungen und begleitet in der Durchführung.
Der schlimmste Fall wäre ein ungeregelter Nachlass, der entweder auf unerwünschte gesetzliche Regelungen zurückfällt, oder aber zu jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen und astronomischen Steuerforderungen führt. Grenzüberschreitende Kreativlösungen mit zeitgleicher Generationen-Mediation stellen hier die Königsdisziplin legaler Gestaltung dar.
Was Family Officer leisten können – und warum das honoriert werden muss
Natürlich beschränkt sich die Beratung des Family Officers keineswegs auf die Nachfolgeplanung. Ein Family Office kann auch bei verschiedensten unternehmerischen Themen – von M&A bis Projektfinanzierung – genutzt werden: Von der anonymisierten Erstanfrage bis zur strategischen Verhandlungsführung, von der Due Dilligence bis zum Sozialplan; die Auswahl der Immobilienverwaltung und der strategisch zum Mandanten passenden Kapitalverwaltungsgesellschaft; und auch der Bereich Personal Assistance (PA) – von der diskreten Reiseplanung bis zum Personal Shopper – kann hier „as a Service“ abgebildet werden.
Eine solche Dienstleistung hat selbstverständlich ihren Preis. Dieser ist aber deutlich geringer als würde man ein Single Family Office mit KVG alleine betreiben. Vor allem aber sind es ja keine Dauerkosten, sondern Dienstleistungen auf Abruf, die als Beratungskosten in die laufenden Betriebskosten des Unternehmens eingehen (können). Um hier ein Gefühl zu geben: üblicherweise bewegt sich der Stunden-Honorarsatz eines Family Office im selben Bereich wie der von Anwälten. Für Dauermandate bietet es sich zudem an, auch mal über Zeitkontingente und Pauschalsätze zu sprechen. Vor allem sind die Kosten regelmäßig deutlich geringer als die realisierbaren Gewinne und Einsparpotenziale.
Der Begriff des „Family Office“ soll keinesfalls einschüchtern. Es ist weder elitär noch abgehoben, sich der Dienstleistung eines Family Office zu bedienen. Im Gegenteil. Ein klassischer Family Officer bietet seinen Mandanten insbesondere einen geschützten Raum sowie erhebliche reputative und verhandlungsstrategische Vorteile. Ein „Family Office as a Service“ funktioniert auf Abruf und zu überschaubaren Kosten. Vor allem aber ist ein beratender Family Officer frei von Interessenkonflikten und ausschließlich seinen Mandanten verpflichtet, für deren spezifische Situation die besten Lösungsansätze zu finden. Die letzte Entscheidungshoheit in der Sache behält immer der Mandant.
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Dieser Gastbeitrag ist erschienen am 28. März 2024 im Private Banking Magazin