Fachbeitrag im Private Banking Magazin – Stiftungen als Werkzeugkasten der Zivilgesellschaft

Fördernde Stiftungen – Die Zeit der bloßen Kapitalhingabe ist vorbei

Im Wettstreit der Systeme steht die Demokratie als Solitär, als ausgleichendes aber auch forderndes politisches System – als demokratisches Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland. Als tragendes Verfassungsprinzip ist die Demokratie auch Gerüst des gesamtgesellschaftlichen Miteinanders und vor allem des zivilgesellschaftlichen Einflussbereiches. Nicht zuletzt wegen 100 Jahre Frauenwahlrecht, 70 Jahre Grundgesetz und 30 Jahre Mauerfall rückt diese Erkenntnis beim diesjährigen Deutschen Stiftungstag vom 5. bis 7. Juni in Mannheim in den Fokus der Stiftungswelt.

Ein Blick auf die Stiftungszwecke zeigt: Mit mehr als 52 Prozent ist das Thema Gesellschaft eng mit dem Demokratiebegriff verbunden. Stiftungen stehen dabei auf den Schultern von Riesen und sind zunehmend in der Lage, neue Wege nicht nur zu denken, sondern auch zu gehen. Kaum ein Land auf diesem Globus ist in der Lage, so substantiell auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen, wie mit den Mitteln, die das deutsche Stiftungswesen offeriert – zudem nach einem so einschneidenden Ereignis wie dem 2. Weltkrieg, dessen Beginn sich 2019 zum 80. Mal jährt. Neben Formen wie der Treuhand- oder der rechtsfähigen Stiftung, der gemeinnützigen GmbH und gar der gemeinnützigen Aktiengesellschaft stehen zahlreiche anzustrebende Stiftungszwecke und ein weiter Steuer- und Förderungsrahmen zur Verfügung.

Ein weiteres einschneidendes Ereignis aus der Vergangenheit treibt Stiftungen aber noch immer um: Die Auswirkungen der nun bereits mehr als eine Dekade zurückliegenden Finanzmarktkrise und die damit einhergehende Niedrigzinslage. Das spurlose Verschwinden der sogenannten risikolosen Zinsen, ohne eine realistische Chance auf eine Wiederkehr, trifft die Stiftungen hart.

Bis zu diesem Ereignis musste man sich weitgehend keine Gedanken darüber machen, woher die Erträge aus dem Stiftungsvermögen kamen. Die Aktienanlage stand daher weitestgehend außerhalb der Handlungserwägungen von Stiftungsvorständen. Nun versprechen Stiftungsfonds, Spezialfonds, Vermögensverwalter, Banken und Klientel- und Spezialinstitute der kirchlichen oder Nachhaltigkeits-Sphäre diverse Lösungsansätze, wie man dem entkommen kann. Klar ist: Die komplexe Welt verlangt komplexe Lösungen, und risiko- und aufwandslos ist diese Welt für Stiftungen dadurch nicht mehr im Bezug auf das Vermögen.

Stiftungen bewegen sich natürlich in einem globalisierten, vernetzten, zunehmend agilen und digitalen Umfeld. Neue Generationen von Stiftern, mit neuen Ideen zur Förderung, Stärkung oder Vertiefung der Teilhabe in der Zivilgesellschaft, treten auf die Bühne. Hochvermögende geben stetig neue Vermögenswerte zur gemeinnützigen Einflussnahme in das System. Zudem sind die Folgen der, nach der „Erbengeneration“ kommenden, „Generation ohne Erben“ noch nicht abzuschätzen. Denn in Deutschland sind laut Medienberichten zwischen 0,05 und 0,125 Prozent aller Bankkonten der Stadtsparkassen inaktiv. Was passiert mit diesem „herrenlosen“ Vermögen? Das fragt sich auch Frank Niederländer, Vorstand der BMW Foundation.

Aber auch der Wunsch der Vermögens- und Unternehmensnachfolger nach Möglichkeiten zum Engagement ist stark gestiegen. Hat doch diese junge Generation, quasi die digitale „jeunesse d’oré“, meist die Welt bereist und durch eigenes Erleben die Auswirkungen der Lebensstile der Ersten Welt auf die Zweite und Dritte Welt erfahren.

In globalen Zusammenhängen zu denken und sein handeln, darauf abzustellen, war noch nie in der Menschheitsgeschichte besser möglich als heute, auch in Zeiten von „Fake News“ und den anhaltenden Versuchen, den Diskurs zu manipulieren. Verbunden damit sind der Wunsch und die Absicht, durch die eigenen Aktivitäten auch alsbald eine messbare Wirkung zu erzielen, groß. Die Zeiten der bloßen Kapitalhingabe ist weitgehend vorbei.

Nun treffen diese neuen Entwicklungen, quasi als Antwort auf eine stetige Emergenz und Disruption, auf tradierte, sicherlich auch bewährte Strukturen – an den Reibungsflächen dieser Bereiche nicht ohne ein hörbares Knarzen im Gebälk. Auf den Zuschauerrängen stehen die auf die Stiftungswelt eingestellten Dienstleister. Sie haben ihre Mitarbeiter in den letzten Jahren fortgebildet und suchen nach neuen Kundenpotentialen. Und sie sind verblüfft über die plötzliche Dynamik, haben sie doch das deutsche Stiftungswesen bis dato oft mehr als Schildkröte denn als Geparden wahrgenommen. Auch hier vollzieht sich also ein Wandel. Waren bis dato die Stiftungen Ziel der Bemühungen, können es künftig vielmehr die Stifter oder potentiellen Stifter sein, welche man in den Fokus nimmt. Ohnehin hat man diese Mandantschaft doch häufig bereits als Kunden im Bestand.

Der folglich veränderte Blick auf die Stiftung als Werkzeugkasten von Vermögensinhabern, neben der rein privatnützigen Familienstiftung, zur Realisierung einer gesamtgesellschaftlichen und gemeinnützigen Einflussnahme, macht diese sozusagen automatisch zum Dienstleistungsvehikel der Demokratie. Getreu den Buchstaben des Wortes „Demokratie“ als Herrschaft des Staatsvolkes kann die Stiftung sinngemäß als Affluent Impact Toolbox (AIT), sozusagen als IMPACT-Werkzeugkasten für Wohlhabende, zur Umsetzung dieser Teilnahme an Demokratie sein. Betrachtet man demnach das Vermögen in Stiftungen als Mittel zur direkten Wirkung kann folgende Formel gelten: Kapital + Affluent Impact Toolbox = Wirkung.

Diese Betrachtung forciert auch eine veränderte Sichtweise des Begriffes Impact Investing: Der Horizont verschiebt sich und gibt den Blick auf viel mehr Möglichkeiten frei. Das kann auch befreiend für bestehende Stiftungen sein: Statt sich auf Rendite und Risikominimierung zu konzentrieren, steht plötzlich die Überlegung im Fokus: Was bewirke ich mit dem Stiftungsvermögen oder meinen Anlageentscheidungen eigentlich?

Ähnlich der Macht des Konsumenten kann eine an Dauerhaftigkeit orientierte Vermögensanlage den Markt treiben. Dies sehen wir nicht zuletzt an der zunehmenden Orientierung von Kapitalsammelstellen am Konzept von ESG-Kriterien. Das kann zu kreativen Ansätzen führen, wie nicht zuletzt die Bemühungen des Erste Sahne Berlin e.V. von Hamid Djadda zeigen. Mit Hilfe eines Stiftungskonstrukts entzieht er dem Markt Wohn- und Gewerbeimmobilien.

Nimmt man bei der Strukturierung der Vermögenssphäre in Stiftungen nun diese neue Sichtachse in den Fokus, trifft man auf einen weitgehend unregulierten Markt. Die Deutungshoheit über Begriffe wie Nachhaltigkeit, Impact Investing, Mission Related Investing oder Social Entrepreneurship zu gewinnen, wird erst seit einigen Jahren von diversen neuen Institutionen angestrebt. Die Entwicklungen bis heute sind vielversprechend und oft herausragend, jedoch zeigen sie auch, dass die Beurteilung aller Aspekte vielschichtige Herausforderungen in sich bergen kann.

Eine Begleitung im Sinne der Anwendung der AIT mit einer allgemeinen philantrophischen Beratung wird derzeit nur von wenigen hochspezialisierten Family Offices angeboten, aber beispielsweise im weit fortgeschrittenen Projekt der „Initiative Erste Deutsche Stiftungsbank“ derzeit erörtert und vorangetrieben. Zu wünschen wäre, dass die Stiftungen zum diesjährigen Stiftungstag in Mannheim mit dem Selbstverständnis anreisen, dass sie mit dem, was sie tun, den Werkzeugkasten anzubieten haben, mit dem sie der „Dienstleister der Demokratie“ geworden und auch in der Lage sind, das zu bleiben.

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